Velkommen til København: Willkommen in der Fahrradstadt, die urbaner Gestaltung ihren Namen gibt.
20.07.2023 | Mobility
Die Verkehrswende begann in Kopenhagen in den frühen 1980er Jahren: Zu Tausenden gingen die Menschen auf die Straße und forderten eine Regulierung der Urbanisierung, vor allem aber der Gefahren durch den anschwellenden Autoverkehr. Das hat eine beispiellose Stadt- und Verkehrsgestaltung in Gang gesetzt, die seit mehr als 40 Jahren stetig voranschreitet. Heute gibt die Stadt dem „Copenhagenize Index“ ihren Namen, einem Ranking der weltweit fahrradfreundlichsten Großstädte.
In Dänemark wurde in den 1920er Jahren das Long-JohnLastenrad entwickelt. Von dort hat es seinen Weg in die ganze Welt gefunden. Vor allem in der Hauptstadt Kopenhagen ist das Fahrrad ein fester Bestandteil des Alltagslebens von beinahe 650.000 Menschen.
Das zeigt sich besonders deutlich in der Rushhour. Hunderte Pendler*innen pedalieren mit dem Fahrrad, Cargo- oder E-Bike unter anderem an der Fisketorvet Mall die Cykelslangen, zu Deutsch: die „Fahrradschlange“, hinauf: Die mehr als 200 Meter lange, orangerot beschichtete Fahrradbrücke schlängelt sich in beinahe sechs Metern Höhe hinüber zur Bryggebroen-Brücke und verbindet so den Stadtteil Vesterbro mit dem HavenstadViertel.
Während der zweiminütigen Fahrt zwischen den Quartieren streift der Blick die futuristischen Glasfassaden der Dependancen großer Unternehmen. Er wandert über das still daliegende Hafenbecken, in dem sich das Stadtgesicht Kopenhagens spiegelt, und bleibt schließlich an den siloartigen Türmen der Gemini Residence haften, einer gigantischen Wohnanlage auf der anderen Uferseite.
Hier werden Entfernungen in Fahrradminuten angegeben.
Bei der ersten Überfahrt scheint die Zeit langsamer zu vergehen. Es ist ein besonderes Erlebnis, denn hier ist neuer Raum für Bewegung entstanden und gewachsen – erlebbar im gleichmäßigen Fließen des Radverkehrs über die Cykelslangen und die Bryggebroen.
Aber nicht allein an diesen Orten, sondern auch in den Köpfen der Menschen, die hier leben, hat sich etwas nachhaltig verändert. Seit 2005 sinken die Zahlen der Verkehrstoten, fast 80 % der Radfahrer*innen geben an, sich im Straßenverkehr sicher zu fühlen – leider immer noch keine Selbstverständlichkeit, nirgendwo.
Sicherheit ist das eine. Aber an der Cykelslangen verzögert außerdem keine Ampel die Auffahrt. Niemand muss im Stau warten oder auf eine Fähre, man muss sich nicht einmal in einen Kreisverkehr einfädeln. Der Mensch kann einfach sein und Fahrrad fahren. Dieses vollkommen uneingeschränkte Überfahren der Brücke verleiht ein Gefühl von Zeitlosigkeit und Weite, von Freiheit.
Die Cykelslangen setzt damit dem Fahrrad ein lebendiges Denkmal: Hier wird es als Verkehrsmittel gefeiert und verehrt, spürbar im Hier und Jetzt. Ohne Kompromisse.
Interview
„E-Biken kann mehr sein als entspanntes Radfahren.”
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Kopenhagen ist seit mehr als 50 Jahren eine Fahrradstadt. Was waren die wichtigsten Veränderungen?
Vor allem der Ausbau der Radwege hat die Lust der Dänen am Radfahren geweckt. Es liegt in unserer Natur, Rad zu fahren, 9 von 10 Kopenhagener*innen besitzen ein Fahrrad. Um diesen Trend zu unterstützen, muss mehr Platz für Fahrräder her. Allein in Kopenhagen gibt es heute bereits rund 400 Kilometer Radwege – alle klar getrennt von Autospuren und Gehwegen. Das weist in die richtige Richtung.
Welchen Beitrag leistet die Gesellschaft heute und in Zukunft?
Es gibt zum Beispiel jährliche Fahrradkampagnen, um noch mehr Leute aufs Rad zu bringen. Es wird viel unternommen, um Arbeitsplätze rund ums Pendeln zu schaffen. Daneben leistet die Wissenschaft einen großen Beitrag. Es gibt Studien, die beweisen, dass Menschen gesünder sind, wenn sie regelmäßig mit dem Fahrrad unterwegs sind. Sie beantragen beispielsweise weniger Krankheitstage, reduzieren die CO2 -Emissionen um 20.000 Tonnen pro Jahr und bringen – ganz im Gegensatz zum Auto – einen Gesundheitsvorteil von 1,00 Euro pro Kilometer.
Was bedeutet das Radfahren – insbesondere mit E-Bikes – für die Menschen in Kopenhagen?
Das E-Bike ist ganz klar im Kommen. Wo wir früher geradelt sind, es genossen und dabei geschwitzt haben, können wir heute radeln und genießen, ohne uns zu verausgaben. Eine durchschnittliche Fahrt mit dem Fahrrad in Kopenhagen beträgt etwa fünf bis sieben Kilometer. Mit einem E-Bike vergrößert sich der Radius auf 13 bis 18 Kilometer. Das Zurücklegen einer größeren Entfernung bietet mehr Flexibilität und macht das Bike, wenn wir mal an CargoBikes denken, zum am besten geeigneten Verkehrsmittel für den innerstädtischen Verkehr.
Du darfst ein Jahr lang Bürgermeister in Kopenhagen sein. Was würdest du als Erstes ändern?
Als Erstes würde ich die Radwege weiter ausbauen. Immer mehr Menschen steigen aufs Rad und unsere Infrastruktur muss sich nicht nur anpassen, sondern der gewünschten Entwicklung vorauseilen. Als Nächstes würde ich die Kopenhagener Altstadt komplett für den Autoverkehr sperren.
Wo sind die Grenzen des Radfahrens in Kopenhagen? Auf welche infrastrukturellen Elemente sollte man sich in den kommenden Jahren konzentrieren?
Wir sollten mehr Radschnellwege bauen, denn sie haben dazu beigetragen, das Fahrrad als Mobilitätslösung Nummer eins im Alltag zu fördern. Auf diesen Radwegen wird den Bedürfnissen der Pendler*innen höchste Priorität eingeräumt – sie bieten eine reibungslose Fahrt mit weniger Stopps und mehr Sicherheit. Der Hauptzweck der Radschnellwege besteht darin, bessere Bedingungen für Radfahrer*innen zu schaffen und Arbeits-, Studienund Wohngebiete miteinander zu verbinden, so dass es für Pendler*innen noch attraktiver wird, mit dem Rad zur Arbeit und zurück zu fahren und das Auto stehen zu lassen. Außerdem verlaufen die Radschnellwege in der Nähe von Bus- und Bahnhöfen. Das macht es einfach, das Radfahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu kombinieren, um reibungslos größere Entfernungen zu bewältigen.
Dieses Stadtporträt ist Teil des Riese & Müller Verantwortungsberichts 03.