Biokost per Lastenrad.
15.03.2023 | Business
Eine gute Idee, viel Idealismus und die nötige Menge Mut: Fünf Studierende beginnen bei Null und gründen innerhalb weniger Monate einen Bio-Onlineshop und später auch ein Lieferunternehmen. Ihre Mission: gute Ernährung, faire Bedingungen für alle und eine nachhaltige Logistik für die Städte – natürlich mit dem Cargo-Bike.
Lieferdienst-Gründer*innen Alicia, Paul, Estella, Marlene und Jonathan. Alle Fotos: © Himmel un Ääd
Die Idee kam ganz spontan, ohne Plan, ohne Konzept: einfach etwas Gutes tun, anderen Menschen helfen.
Es ist das Jahr 2020, Jonathan Kümmerle, 24 Jahre alt, studiert Nachhaltiges Wirtschaften an der Alanus Hochschule bei Bonn, als Corona das öffentliche Leben lahmlegt. Zusammen mit vier Kommiliton*innen sitzt er damals zusammen. “Wir haben überlegt, was können wir tun? Wie können wir in dieser Situation nützlich sein?”
Erste Idee: älteren Menschen ganz klassisch bei Erledigungen helfen. Doch es gibt in der eigenen Straße keinen Bedarf. Nächster Einfall: Einen Freund unterstützen, der in Hamburg ein eigenes Lieferunternehmen gründen will. Aber Jonathan hat gerade erst in Bonn Fuß gefasst, sitzt an seiner Bachelorarbeit und will nicht weg. Der Freund hat Verständnis, sagt aber noch: “Dann bau doch deinen eigenen Lieferservice auf – in deiner Stadt!”
Der Gedanke verfängt. Die Freunde beschließen, es zu wagen. Etwas Gutes zu tun. Ihr Konzept: ein nachhaltiger Lieferdienst, der regionale Bio-Produkte zu den Menschen in Köln und Bonn bringt. Mit Lastenrädern und zu fairen Preisen. Etwas Startkapital kratzen sie zusammen, außerdem wenden sie sich an eine Bürgeraktiengesellschaft, in der Landwirte und regionale Produzenten vernetzt sind. Das Konzept passt, die nötige Unterstützung ist gesichert.
Über Umwege zum Packster
Von da an geht es schnell: Zunächst unter dem Namen „Himmel un Ääd“ – eine Anspielung auf ein traditionelles rheinisches Gericht aus Äpfeln und Kartoffeln – gehen die Fünf an den Start. Nur wenige Tage liegen zwischen der Gründung ihres Bio-Lieferdienstes und der ersten Auslieferung. Die wäre beinahe noch schief gegangen. Denn der damalige Logistikdienstleister kündigt den geschlossenen Deal nur wenige Stunden vorher auf. Die Studierenden müssen in letzter Minute umdisponieren.
Was nun? Jonathan und die anderen leihen sich in den ersten Wochen Lastenräder von verschiedenen Vereinen und Initiativen, lernen dabei irgendwann auch die Bikes von Riese & Müller kennen – und sind überzeugt. Kurzentschlossen nehmen sie Kontakt auf, schildern ihre missliche Lage, schwärmen von der Idee ihres Bio-Lieferdienstes, und haben nur kurze Zeit später die Zusage für ein Packster 60 als Leihgabe.
„Das war unsere Rettung“, erzählt Jonathan heute. „Wir waren zu diesem Zeitpunkt noch total klein und haben unsere Gemüsekisten in einem Keller in der Kölner Südstadt gepackt. Aber Riese & Müller fand die Idee super, hat an uns geglaubt und uns unkompliziert eine Starthilfe gegeben.“
Mittlerweile firmiert der Bio-Lieferdienst unter dem Namen „Hofdealer“. Die Grundidee ist geblieben: saisonale Bio-Produkte aus der Region, geliefert mit dem Cargo-Bike. Zielgruppe sollen explizit auch Menschen sein, die nicht so viel Geld für gesunde Lebensmittel haben. Deshalb geben sich die Hofdealer Mühe, die Preise durch den direkten Handel mit den Erzeuger*innen niedrig zu halten. Auch Studi-Rabatt und Vergünstigungen für Menschen mit Sozialausweis gibt es.
Sushi liefern mit dem Cargo-Bike
Der Erfolg aus dem Online-Shop ist zudem Startschuss für eine eigene Logistiksparte, die Hofdealer gründen „VEMO“. Unter dieser Marke bieten sie Firmen Lieferlogistik mit dem Rad für die erste und die letzte Meile.
Damit wachsen die Anforderungen. Mehr Bikes werden angeschafft: 14 Räder gehören bald zur Flotte, auch größere, dreirädrige Lastenräder und Anhänger, mit denen man Paletten transportieren kann. Dennoch ist das Riese & Müller Packster täglich im Einsatz, erzählt Jonathan. „Es hat gut 11.000 Kilometer auf dem Tacho und wird von uns ganz gut gerockt!“
Seine Stärken spiele das Bike vor allem im hügeligen Umland aus: „Es gibt Berge, da komme ich mit einem großen Rad nicht hoch. Das Packster aber schafft das ohne Probleme.“ Auch bei kleinvolumigen Lieferungen, bei denen Schnelligkeit gefragt ist, kommt das Packster zum Einsatz, zuletzt bei der Auslieferung von Sushi oder demnächst von Medikamenten. „Der perfekte Use Case“, sagt Jonathan.
Dennoch stünden viele Auftraggeber der First- & Last-Mile-Logistik mit dem Lastenrad noch skeptisch gegenüber. „Die Unternehmen vom Fahrrad als erstes oder letztes Fahrzeug in der Lieferkette zu überzeugen ist mitunter schwierig", sagt Jonathan. „Häufig begegnen die uns nach dem Motto: Waaas? Man kann mit einem Fahrrad wirtschaftliche Logistik betreiben? In einer Stadt?“
„Wir erwarten einen Lastenrad-Boom“
Dabei liegen die Vorteile für Jonathan auf der Hand: „Man steht nicht im Stau und kann vor der Haustüre parken, die Lieferung abgeben und weiterfahren. Aufgrund der Wendigkeit ist man einfach schneller.“ Im Vergleich dazu sei es mit einem Sprinter viel umständlicher. „Wo parke ich? Wie weit muss ich zur Kundin laufen? All diese Wege sparen wir uns.“
Zusätzlich seien gerade bei steigenden Energiepreisen Lastenräder besonders wettbewerbsfähig. „Die Kosten für eine Akkuladung belaufen sich auf ein paar Cent, in der Kalkulation können wir das praktisch vernachlässigen. Sogar dann, wenn sich die Strompreise verdrei- oder -vierfachen sollten.“
Jonathan und seine Mitstreiter*innen erwarten daher, dass in der Logistikbranche mittelfristig ein Lastenrad-Boom ausbrechen wird, zumindest in den Städten. VEMO und Hofdealer haben Ambitionen, mitzumischen. „Wir möchten langfristig auch in andere Bereiche investieren und weitere Unternehmen aufbauen“, sagt Jonathan, „und die sozial-ökologische Transformation nach vorne bringen.“
Damit würden aus einem spontanen Einfall noch eine ganze Reihe guter Unternehmensideen entstehen.
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Riese & Müller ist seit 2020 Partner der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn für das Studienfach „BWL – Wirtschaft neu denken mit beruflicher Praxis”.
Der Bachelor-Studiengang richtet sich an junge Menschen, die sich für sozial und ökologisch nachhaltig orientiertes Wirtschaften interessieren.
Die in der Theoriephase erworbenen Kenntnisse werden in Praxisphasen am Riese & Müller Standort in Mühltal angewandt.
Mehr Infos: BWL – Wirtschaft neu denken mit beruflicher Praxis