Paris, Frankreich: Au revoir, Stau!
20.03.2022 | Unterwegs in ...
Paris mausert sich zur Fahrradstadt und will es Menschen einfach machen, das Auto stehen zu lassen. Familie Audet ist nur noch mit dem Rad unterwegs – mit gleich fünf Riese & Müller Bikes.
Bonjour Vincent, das ist ein sehr schönes Foto von euch vor dem Schloss Versaille! Ihr seid mit fünf Riese & Müller Bikes unterwegs – wer hat damit angefangen?
Unsere Tochter Margaux! Sie hat sich im Jahr 2020 ein Homage gekauft, als sie zu Besuch bei uns war. Sie leiht sich eigentlich immer eins unserer Bikes aus, diesmal brauchten wir sie aber selbst. Sie lebt in Südafrika und findet, dass es hier in Paris viel zu viele Staus gibt.
Dabei schauen viele Städte mittlerweile neidisch nach Paris – in den vergangenen beiden Jahren hat sich doch einiges getan, was die Fahrradinfrastruktur angeht.
Ja, die Stadt hat große Fortschritte gemacht. Aus vielen sogenannten „Corona-Pisten“, die in kurzer Zeit während des ersten Lockdowns eingerichtet wurden, sind mittlerweile permanente, sichere Radwege geworden. Auf den Nord/Süd- und Ost/West-Achsen entstehen gerade neun Routen mit der Bezeichnung “RER Vélo”, mit insgesamt 680 Kilometern Länge. Und auf einigen Hauptrouten in Paris ist die Ampelschaltung jetzt mit dem Durchschnittstempo der Fahrräder synchronisiert.
In der Folge steigen viele Pariser von öffentlichen Verkehrsmitteln und Autos auf das Fahrrad um. Welche Anreize gibt es noch?
Umweltbewusstsein, Zeitersparnis und sportliche Betätigung spielen natürlich auch eine Rolle. Außerdem haben einige französische Unternehmen ihren Mitarbeitern E-Bike-Flotten zur Verfügung gestellt und es gibt auch zahlreiche Förderprogramme zum Kauf von E-Bikes.
Was ist für dich der größte Vorteil am Radfahren in Paris?
Dass man genau weiß, wie lange man braucht, um einen beliebigen Punkt in der Stadt zu erreichen. Ein Beispiel: Mein Nachbar quält sich morgens gut eineinhalb Stunden mit dem Auto durch den Stau, um ins Büro in der Nähe des Arc de Triomphe zu kommen. Für die gleiche Strecke brauche ich mit dem Fahrrad nur 18 Minuten! Dabei halte ich mich im Freien auf, und wenn ich durch den Stadtpark Bois de Boulogne fahre, sehe ich dort immer wieder Kaninchen und Füchse. Außerdem bin ich weit weg von Autos und ihren Abgasen.
Wie funktioniert das Miteinander im Verkehr, wenn mehr Radfahrer*innen unterwegs sind?
Pariser Autofahrer haben ja eher einen schlechten Ruf, was ihre Fahrweise betrifft. Aber ihr Verhalten gegenüber Radfahrern hat sich stark verändert, sie sind respektvoller geworden. In bestimmten Bezirken von Paris sind jetzt manchmal mehr Fahrräder als Autos unterwegs! Aber klar, es gibt noch Luft nach oben, was gegenseitigen Respekt aller Verkehrsteilnehmer*innen angeht.
Wo gibt es bei der Infrastruktur noch Verbesserungsbedarf?
In der Innenstadt und an den Bahnhöfen mangelt es an sicheren Abstellplätzen für Fahrräder. Die Zahl der Fahrradparkplätze in Paris nimmt zwar rasch zu, aber die Angst vor Fahrraddiebstahl ist für viele Pariser*innen immer noch ein Hindernis.
Zurück zu den Bikes der Familie – wer fährt denn welches Modell?
Meine Frau Martine fährt ein Homage und ich ein Superdelite – beide in HS-Ausführung und mit Rohloff-Schaltung. Unser Sohn Alexandre hat ein Load 75, das haben wir ihm kürzlich zur Geburt seines dritten Kindes geschenkt, seine Frau Fanny fährt ein Load 60, jeweils auch als HS und mit Rohloff. Und Margaux hat, wie gesagt, ebenfalls ein Homage.
Wofür benutzt ihr die Bikes im Alltag?
Martine und ich für alle unsere Wege in Paris – für Einkäufe, Theaterbesuche und mehrmals pro Woche für einen Kaffee im Schloss von Versailles. Mein Sohn, der in Lille wohnt, nutzt mittlerweile ausschließlich das Load, um die Kinder in die Schule und den Kindergarten zu bringen und den Wocheneinkauf zu machen. Er ist Arzt und fährt sogar mit dem E-Bike zu seinen Hausbesuchen.
Wie viele Kilometer kommen da im Jahr zusammen?
Ich schätze, dass wir als Familie mehr als 40.000 Kilometer mit dem Fahrrad zurückgelegt haben, davon kommen gut 26.500 km nur von mir!
Vielen Dank für das Gespräch, Vincent!
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Mit einer massiven Investition in die Fahrradinfrastruktur will Paris zu einer der fahrradfreundlichsten Städte der Welt werden. Der „plan vélo 2021-2026“ sieht dafür mehr als 250 Millionen Euro für die Modernisierung von Fahrradwegen und die Neuschaffung von Abstellmöglichkeiten vor.
Das ambitionierte Ziel: Bis 2026 plant die Stadt 180 Kilometer zusätzliche getrennte Radwege. Rund 130 Kilometer davon sollen komplett neu gebaut werden, während rund 50 Kilometer temporärer Pop-Up-Radwege ("Corona-Pisten") in dauerhafte Wege verwandelt werden.
Außerdem sollen 130.000 zusätzliche Fahrradparkplätze entstehen, davon 50.000 gesicherte Plätze, zum Beispiel an Bahnhöfen, und 1.000 ausschließlich für Cargo-Bikes reservierte Stellflächen.